Warum verschleißt die SPD
so viele Chefs, Herr Beck?
BILD: Herr Ministerpräsident, die SPD hat seit 1993 sechs Parteichefs verschlissen. Warum hat es keiner länger in diesem Amt ausgehalten?
Beck: Keinem von ihnen, einer ausgenommen, ist der Abschied vom SPD-Vorsitz leichtgefallen. Und es waren gewiß sehr schwierige Zeiten, in denen die SPD Regierungsverantwortung für dieses Land übernommen hat. Unseren Mitgliedern und Wählern mußte viel abverlangt werden. Das ist auch an den Vorsitzenden nicht spurlos vorübergegangen. Bei Matthias Platzeck kamen dann gesundheitliche Probleme hinzu ...
BILD: ... und wie lange wollen Sie es machen?
Beck: Wenn der liebe Gott mitspielt, möchte ich das Amt schon einige Jahre behalten.
BILD: Was können Sie als SPD-Vorsitzender besser als ihre Vorgänger?
Beck: ... ob ich etwas besser kann als andere, das weiß ich nicht. Aber ich bin ein praktisch denkender Mensch. Und ich komme mit anderen Menschen gut zurecht. Diese Fähigkeiten will ich einsetzen.
Viele Leute – auch in unserer Partei – haben den Eindruck, daß „die da oben“ gar nicht mehr wissen, wie es den normalen Bürgern eigentlich geht. Da werde ich dagegenhalten!
Spitzenpolitiker sollten wissen, welche Sorgen und Nöte die Krankenschwester, der Facharbeiter oder die Verkäuferin haben.
BILD: Ihr Amtsvorgänger Franz Müntefering sagt: 2009 ist Schluß mit der Großen Koalition. Sehen Sie das auch so?
Beck: Müntefering hat völlig recht. Die Große Koalition ist keine Dauerperspektive für dieses Land. Union und SPD werden bei der nächsten Bundestagswahl um eigene Mehrheiten kämpfen und sich dann andere Koalitionspartner suchen. Aber bis dahin müssen wir das, was wir uns im Interesse Deutschlands vorgenommen haben, gemeinsam erledigen.
BILD: Nach Rot-Grün und Schwarz-Rot – wäre dann wieder Sozialliberal an der Reihe?
Beck: Darüber muß man jetzt nicht spekulieren. Tatsache ist: Deutschland hat gute Jahre mit einer sozialliberalen Koalition erlebt. Wenn sich die FDP auf diese Tradition besinnt, dann schließe ich eine Neuauflage generell nicht aus. Aber für die Liberalen ist das noch ein weiter Weg. In Bereichen wie der Außenpolitik, Rechtspolitik oder Bildungspolitik gibt es allerdings Übereinstimmungen. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik sind große Unterschiede.
Generell schließe ich aber keine Koalition mit demokratischen Parteien aus – die sogenannte Linkspartei gehört nicht dazu.
BILD: Die größte Übereinstimmung in der Koalition gab’s beim Steuererhöhen. Was sagt eigentlich Ihre Frau, die als Friseurin arbeitet, dazu, wenn Sie die Mehrwertsteuer um satte drei Punkte raufsetzen?
Beck: Meine Frau versteht, daß wir Geld brauchen, um die Sozialbeiträge zu senken, Straßen in Ordnung zu halten oder ordentliche Krankenhäuser und Kindergärten zu finanzieren. Deshalb ist es – weil viele notwendige Reformen Anfang und Mitte der 90er Jahre nicht angegangen wurden – jetzt leider unumgänglich, daß wir die Mehrwertsteuer erhöhen.
BILD: Der Bundespräsident hat verlangt, die Steuererhöhung zum großen Teil für die Senkung der Lohnnebenkosten zu verwenden ...
Beck: ... wünschen kann ich mir das auch! Aber die finanzielle Lage läßt das einfach nicht zu. Im übrigen: Wenn wir notwendige Investitionen jetzt zurückstellen, wird es am Ende noch teurer.
BILD: Apropos noch teurer – der nächste Hammer liegt schon bereit: Bei der Gesundheitsreform sollen die Bürger wieder mal draufzahlen. Ist die Schmerzgrenze da nicht schon überschritten?
Beck: Fest steht: Die Höhe der Kassenbeiträge ist ausgereizt – und das gleiche gilt für die Zuzahlung bei Medikamenten. Deshalb ist die Koalition gerade dabei, das Gesundheitssystem nach Einsparungen zu durchforsten. Ich bin sicher: Da lassen sich Milliarden finden. Erst danach bin ich bereit, überhaupt über zusätzliche Belastungen für die Bürger nachzudenken.
BILD: Herr Ministerpräsident, wenn Sie als SPD-Chef einen Wunsch freihätten ...
Beck: ... dann würde ich mir wünschen, daß die Deutschen nicht so pessimistisch in die Zukunft blicken würden. Wir haben allen Grund dazu, an uns und an die Leistungsfähigkeit unseres Landes zu glauben.
Quelle:bild.de
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